In den letzten zwei INDIKATOR Ausgaben ging es um die ersten Chemikerinnen an der Universität Wien. Sie waren die Wegbereiterinnen für viele weitere Frauen, die ihnen an unsere Fakultät folgen sollten. Mit diesem 3. Teil schließen wir die Serie über unsere Vorgängerinnen ab.
Marianne Richter-Quittner (geb. Quittner) wurde in Wien geboren und maturierte 1912. Ihre Arbeit “über Methylierung der Eiweißstoffe” wurde 1917 von Prof. Wegscheider und Prof. Schlenk akzeptiert und sie bekam ihr Doktorat im Juli 1918. Wie später klar wurde, verwendete der Nobelpreisträger aus dem Jahr 1930, Karl Landsteiner, die Ergebnisse aus Mariannes Arbeit als er Chefarzt im Wilhelminenspital war. Gemeinsam mit Prof. Wilhelm Falta veröffentlichte Marianne ab 1919 Arbeiten über die Chemie des Blutes. Außerdem veröffentlichte sie Artikel mit Karl Hitzenberger über Diabetes. Andere Gebiete, in denen sie forschte, waren der Purinstoffwechsel, der Cholesterinabbau und die Wirkung von Schwermetallsalzen. Gemeinsam mit Franz Depisch konnte sie 1923 die chemischen Bestandteile der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit bestimmen. Sie forschte auch eine Weile an der Clinique Médicale B in Strassburg zum Thema Blut-Transmineralisierung. Diese Ergebnisse präsentierte sie im Oktober 2024 bei der Wiener Biologische Gesellschaft. Sie starb im Januar 1931 in Wien.
Erna Machon (geb. Demelius) wurde 1896 in Wien geboren. Ihr Vater war Rektor der Universität Innsbruck und starb 1904 bei einem tragischen Kletterunfall in der Schweiz. Ihre Mutter war Botanikerin und veröffentlichte einige wissenschaftliche Artikel. Erna schloss ihre Dissertation “Über das Cholesterol” nach einem 5-jährigen Studium an der Universität Wien im Jahr 1919 ab. In den frühen 40er-Jahren arbeitete sie bei der Boehme Fettchemie GmbH in Chemnitz. Damals wurden zwei Patente auf sie und ihren Kollegen Dr. Friedrich Schmitt angemeldet.
Rautgundis (Raudgundis) Gertrud Rotter wurde 1892 in Mährisch-Schönberg (heute Sumperk, Tschechische Republik) geboren und gilt als die erste weibliche wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Chemischen Institut an der Universität Wien. Sie maturierte 1912 und begann in diesem Herbst an der Universität Wien zu studieren. 1913/1914 besuchte sie analytisch chemische Übungen an der Technischen Hochschule unter Prof. Georg Vortmann. Im Januar 1917 wurde sie Prof. Wilhelm Schlenks Forschungsassistentin am II. Chemischen Institut. 1919 erhielt sie ihren Doktor, der Titel ihrer Doktorarbeit lautete “Über eine neue Synthese des Coniins und über einige andere mit Lithiumalkylen ausgeführte Synthesen”. Ab dem akademischen Jahr 1920/1921 bis 1927/1928 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am II. Chemischen Labor. Ihr Forschungsgebiet war die Kondensation von ungesättigten Verbindungen mit Diazomethan. Ab 1931/1932 war sie als außerordentliche Assistentin am Pharmakognostischen Institut der Fakultät für Medizin angestellt. Ihren akademischen Titeln zufolge, “Dr.phil. Dr.med.” absolvierte sie auch ein Medizinstudium. In den frühen 50er-Jahren arbeitete sie für die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchungen in Wien. Sie starb 1972 in Wien und ist am Zentralfriedhof begraben.
Celine (Celina) Bresiewicz wurde in Kalwarya in Galizien (heute Kalwaria Zebrzydowska, Polen) geboren. Ihr Vater war damals Richter am Landesgericht Krakau, später wurde er Präsident des Sektionsrates im Innenministerium in Wien. 1918 schloss Celine ihr Studium an der Universität Wien mit der Dissertation “Über einige Derivate des Triphenylmethylnatriums” ab. Dieses Thema zeigt klar, dass auch sie eine Studentin von Prof. Wilhelm Schlenk war. Schlenk veröffentlichte einige Ergebnisse, die von Celine erhalten wurden.
Dies waren die ersten Frauen an der Fakultät für Chemie. Eine kurze Zusammenfassung kommt hier: Von den 40 Frauen, die zwischen 1900 und 1919 einen Doktortitel in Chemie erhielten, arbeiteten nur 9 für mehrere Jahre als Chemikerinnen (oder Pharmakologinnen). 6 weitere Frauen arbeiteten zumindest ein paar Jahre als Chemikerinnen. 4 Frauen arbeiteten nach ihrem Chemiestudium in komplett anderen Bereichen: Stefanie Horovitz als Erzieherin, Lily Bader als Klavierlehrerin, Rudolfine Wenzel als Professorin für Tierpsychologie und Grete Viertel als Schauspielerin. Von 5 Frauen ist klar, dass sie nach dem Heiraten nicht mehr im wissenschaftlichen Bereich arbeiteten, die Zahl der Hausfrauen dürfte aber viel größer sein. Von den jüdischen Frauen konnten 7 emigrieren, 4 wurden im Holocaust umgebracht. Allerdings ist auch hier nicht ganz klar, ob diese Zahlen nicht höher sind, da bei der Hälfte der Jüdinnen nicht klar ist, was mit ihnen passiert ist.
Alles in allem lässt sich sagen, dass der Weg, den die ersten Chemikerinnen in Österreich gehen mussten, sehr steinig war. Es dauerte noch weitere Jahrzehnte bis die ersten Frauen akademische Führungspositionen in der Chemie erreichten. An der Technischen Hochschule Wien habilitierte Margarete (Rita) Garzuly-Janke im Jahr 1940. 1975 wurde Dr. Nelly Brinda-Konopik (geb. Konopik) “Universitätsdozent für spezielle physikalische Chemie” an der Universität Wien. Und schlussendlich und vermutlich am erschreckendsten, da wir sie alle kennen: Erst im Jahr 2008 erhielt die erste Frau einen Chemie-Lehrstuhl an der Universität Wien. Dieser ging an Anette Rompel.
[1] R. Soukup und R. Rosner, „Scientific contributions of the first female chemists at the University of Vienna mirrored in publications in Chemical Monthly 1902–1919,“ Monatsh Chem, Bd. 150, pp. 961-974, 2019.