Ida Noddack (geborene Tacke), wurde 1896 in Lackhausen (heute ein Teil der Stadt Wesel in Deutschland) geboren. Die Entscheidung Chemie zu studieren war eine praktische: Ida wollte keine Lehrerin werden und die Forschung und Industrie stellten damals proportional weniger Physiker ein. So entschied sie sich für die Chemie. Da sie deren lange und anspruchsvolle Programme sehr ansprechend fand, entschied sich Ida für ein Studium an der Technischen Universität Berlin, wo sie 1915 begann und 1918 mit einem Abschluss in chemischer und metallurgischer Ingeneurwissenschaft, speziell über höhere aliphatische Fettsäureanhydride, abschloss. Sie gehörte zu den ersten Frauen in Deutschland, die Chemie studierten, und war Teil einer der ersten Generationen von Studentinnen in Deutschland. Erst 1909 wurden Frauen an allen Berliner Universitäten zugelassen. Nach ihrem Abschluss arbeitete Ida im Chemilabor der Berliner Turbinenfabrik AEG. An der Technischen Universität Berlin traf sie auch ihren späteren Ehemann Walter Noddack. Die beiden heirateten 1926 und arbeiteten sowohl vorher als auch nachher als Partner zusammen.

Ida und Walter suchten an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt nach den damals noch unbekannten Elementen 43 und 75. 1925 veröffentlichten sie ein Paper und nannten die neuen Elemente Rhenium (75) zu Ehren von Idas Geburtsort und Masurium (43) zu Ehren von Walters Geburtsort. Allerdings waren Wissenschaftler skeptisch gegenüber ihren Ergebnissen und nach weiteren Experimenten der Noddacks wurde nur die Entdeckung von Rhenium bestätigt. Element 43 konnte nicht von ihnen isoliert werden und die Ergebnisse waren nicht reproduzierbar. 1937 wurde das Element dann definitiv von Emilio Segrè und Carlo Perrier isoliert und schlussendlich Technetium genannt. Die beiden gelten als die Entdecker des Elements 43. Ida protestierte, aber die wissenschaftliche Gemeinschaft zweifelte an ihren Behauptungen und dies kostete sie ihre Glaubwürdigkeit.

1934 veröffentlichte Enrico Fermi seine Theorie für ein neues Transuranelement, nachdem er Uran mit Neutronen bombardierte und dadurch eine neue Art von Radioaktivität identifizierte, deren Atomchemie sich stark von Uran und ähnlichen Elementen unterschied. Fermis Theorie der Transuranelemente wurde für einige Jahre weitgehend akzeptiert. Ida Noddack stellte seine Schlussfolgerungen aber sofort in Frage und veröffentlichte das auch in einem Paper “Über Element 93”. Idas Paper wird heute als historisch bedeutsam angesehen, weil sie einerseits den Fehler Fermis korrekt aufzeigte, nämlich, sein Versäumnis, chemisch alle leichteren Elemente als Uran auszuschließen, anstatt nur bis zum Blei zu gehen. Andererseits schlug sie unter anderem die Möglichkeit vor, dass “es denkbar ist, dass der Kern in mehrere große Fragmente zerbricht, die natürlich Isotope bekannter Elemente wären, aber keine Nachbarn des bestrahlten Elements.”. Sie postulierte also damals schon, was später als Kernspaltung bekannt werden sollte. Da Idas Theorie allerdings weder experimentelle Beweise noch eine theoretische Grundlage zeigten, wurde ihr Paper größtenteils ignoriert und verspottet.

Ida Noddacks Arbeit wurde von einigen deutschen Wissenschaftlern, wie zum Beispiel Otto Hahn, als “lächerlich” betrachtet. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern, wurde 1932 ein deutsches Gesetz erlassen, das verheiratete Frauen dazu verpflichtete, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und Hausfrau zu werden, um mehr Arbeitsplätze für Männer zu schaffen. Durch ihren Status als “unbezahlte Mitarbeiterin” konnte Ida diesem Gesetz aber entkommen. Allerdings könnte dies auch ein Grund gewesen sein, dass Männer in ihrem Fachgebiet auf sie herabsahen.

Idas Idee der Kernspaltung wurde erst einige Jahre später, nämlich 1938 durch Otto Hahn und Fritz Strassmann, bestätigt. Hahn erhielt dafür den Nobelpreis. Ida protestierte, dass die Idee von ihr stammte, jedoch mit wenig Erfolg. Genau wie Lise Meitner und Irène Joliot-Curie (wie in der April-Ausgabe berichtet) erhielt auch Ida Noddack keine Anerkennung für ihre Ergebnisse zur Kernspaltung.

Ida Noddack wurde mehrmals für den Chemienobelpreis vorgeschlagen, hat ihn allerdings nie erhalten.

Als erste und bislang einzige Frau erhielt sie 1931 gemeinsam mit ihrem Mann die Liebig-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker. 1937 wurde sie zum Mitglied der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, gewählt. Sie erhielt 1966 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem erhielt sie mehrere Ehrendoktorate.

Zu ihrem 110. Geburtstag wurde an Idas Elternhaus eine Bronzetafel enthüllt. Seit 1966 gibt es dort auch eine Ida-Noddack-Straße, die seit 2012 auch eine Büste von Ida ziert. Weitere Straßen die nach ihr benannt sind, befinden sich im ostfriesischen Emden, in Ingolstadt und in Bamberg.

Mit diesem Beitrag beende ich die Reihe “Frauen in der Chemie” als Autorin. Ich möchte dir liebe:r Leser:in danken und hoffe, du hattest genauso viel Interesse die Artikel zu lesen, wie ich Interesse beim Recherchieren und Schreiben hatte. Vielleicht ist ja seit Oktober das Ein oder Andere über die Geschlechterverhältnisse an der Universität Wien (Okt), Eunice Newton Foote (Nov), die ersten Frauen an der Fakultät für Chemie (Dez, Jan, Mar), Irène Joliot-Curie (Apr), Gerty Cori (Mai) und Ida Noddack (Jun) bei euch hängen geblieben. Bei mir ist das auf jeden Fall so und es hat mir große Freude bereitet für dich zu Schreiben. Danke!


Amanda Schütz

Ich habe immer schon gerne geschrieben und als im Sommer 2023 die Idee aufkam, eine Zeitung für die Chemiestudis zu veröffentlichen war ich sofort mit Begeisterung dabei. Ich habe instantan die Möglichkeit ergriffen die Geschichte der Frauen in der Chemie an ein breiteres Publikum zu bringen. In meiner monatlich erscheinenden Rubrik „Frauen in der Chemie“ konnte ich während der Recherche selbst sehr viel lernen und bin sehr dankbar, dass der INDIKATOR bzw. die IG Chemie mir das ermöglicht haben. Des Weiteren habe ich hin und wieder auch andere Artikel verfasst, die mir nicht weniger Spaß gemacht haben. So habe ich zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 einige Seiten gefüllt und befinde mich nun, aufgrund des Studienendes, im INDIKATOR-Ruhestand. Ich freue mich dennoch über alle, die auch jetzt noch, meine Texte lesen und dabei hoffentlich das ein oder andere neue erfahren :-)