Kennt ihr diesen Namen? Und nein, ich habe mich beim Vornamen dieser Frau nicht geirrt.

Irène Joliot-Curie (geb. Curie) war die ältere Tochter von Marie und Pierre Curie und eine französische Physikerin und Chemikerin.

Ihr Vater Pierre starb 1906, als sie 8 Jahre alt war. Irène wuchs daher unter der Obhut ihres Großvaters Eugène Curie auf, der ihr beibrachte, “die Natur, Poesie und radikale Politik zu lieben”. Marie organisierte außerdem eine Zeit lang eine Kooperative von Wissenschaftlern, die ihre Kinder selbst unterrichteten. Irène besuchte später das Collège Sévigné. Mit 17 half Irène als Assistentin ihrer Mutter, die im Ersten Weltkrieg einen mobilen Röntgendienst für die Front organisierte. Im Militärkrankenhaus von Amiens leitete Irène bald selbstständig eine Röntgenstation. Währenddessen studierte sie Mathematik und Physik an der Universität von Paris. Beide Studien schloss sie 1920 mit dem Lizenziat ab. Im Radium-Institut ihrer Mutter wurde sie nach dem Krieg zunächst unbezahlte wissenschaftliche Mitarbeiterin. Später wurde sie dort Unterassistentin und lernte am Institut den Chemie-Laboranten Frédéric Joliot kennen, den sie anleiten sollte. 1926 heirateten die beiden, Frédéric holte sein Abitur nach, das er aufgrund des Krieges nicht abschließen hatte können, machte sein Lizenziat und wurde 1930 promoviert. Die beiden bekamen 2 Kinder.

Irène untersuchte in ihrer Doktorarbeit die von Polonium (das Element hatte 1898 ihre Mutter Marie entdeckt) emittierten Alphastrahlen. Sie promovierte 1925. Ab 1928 experimentierten Irène und Frédéric gemeinsam. Dabei wiederholten sie ein Experiment, das ursprünglich von Walther Bothe und Herbert Becker ausgeführt wurde: Aus einer starken Polonium-Quelle bestrahlten sie dünne Schichten verschiedener Materialien mit Alpha-Teilchen. Dabei entstand, sofern diese Materialien Wasserstoff enthielten, eine neue Strahlung. Die beiden interpretierten diese als herausgeschossene Wasserstoffkerne, also als Protonen und verpassten somit knapp die Entdeckung des Neutrons. Dies gelang dem englischen Physiker James Chadwick, der 1935 dafür den Physiknobelpreis erhielt.

Ab 1933 gelang Irène und Frédéric die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität. Sie fanden in mehreren Etappen heraus, dass sich radioaktive Isotope auch künstlich herstellen lassen. Dazu bestrahlten sie Aluminiumfolie mit Alphateilchen. Dabei bildete sich ein stabiles Silizium-Isotop, wobei sonderbarerweise anscheinend gleichzeitig ein Neutron und ein Positron emittiert wurden. Am 11. Januar 1934 gelang Frédéric das entscheidende Experiment. Er konnte zeigen, dass in Wirklichkeit zwei Reaktionen schnell hintereinander ablaufen. Irène und Frédéric erfassten die Tragweite ihrer Entdeckung und präsentierten ihre Ergebnisse am 15. Januar 1934  in der Akademie der Wissenschaften. Sie erhielten dafür 1935 den Nobelpreis für Chemie.

Bei einem weiteren Experiment 1937 hätte Irène beinahe die Kernspaltung entdeckt. Sie bestrahlte gemeinsam mit dem serbischen Physiker Paul Savitch Uran mit Neutronen und registrierte ein neuartiges, radioaktives Element mit einer Halbwertszeit von dreieinhalb Stunden. Die Identifizierung dieses Elements erwies sich allerdings als äußerst schwierig. Die beiden veröffentlichten ihre Ergebnisse 1938. Sie deuteten diese als einen möglichen Nachweis des Elements mit der Kernladungszahl 93. Einige Monate später wiederholte die Arbeitsgruppe um Otto Hahn das Experiment und konnte die Kernspaltung nachweisen, ohne die beiden in ihrer Veröffentlichung zu zitieren. Nach dem Krieg sorgte Irène dafür, dass ein Synchrozyklotron für Protonen, der erste französische Beschleuniger gebaut wurde.

Irène engagierte sich außerdem sehr stark in der Politik. Gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sie sich 1934 erstmals an einem Aktionskomitee antifaschistischer Intellektueller. Als im Frühjahr 1936 die Volksfront unter Léon Blum die Wahlen gewann, trat die Nobelpreisträgerin als Staatssekretärin für Wissenschaft und Forschung in die Regierung ein. Sie gehörte damit zur ersten Gruppe von drei Frauen, die in Frankreich ins Kabinett berufen wurden. Dies ist besonders bemerkenswert, da damals die Frauen in Frankreich noch kein Wahlrecht hatten. Irène blieb allerdings nur drei Monate auf dem Posten, sie wollte ein Zeichen für die Frauenbewegung setzen. Nach der Besetzung von Paris durch deutsche Truppen flüchtete das Ehepaar 1940, kehrte aber bald wieder zurück. Irènes Mann lebte anschließend riskant als Forscher am Collège de France und als Résistance-Kämpfer. 1945 wurde in Frankreich das Komissariat für Atomenergie (CEA) gegründet und Frédéric wurde dessen erster Hochkommissar. Auch Irène wurde eine von drei Kommissar:innen, ihre Amtszeit wurde aber nicht verlängert, da sie sich weiterhin politisch in den Organisationen engagierte, die den Kommunisten nahestanden. Um die frauenfeindliche Tradition der Institution anzuprangern, bewarb sie sich viermal um den Sitz in der Akademie der Wissenschaften. Sie wurde jedes Mal abgelehnt. Außerdem nahm Irène an internationalen Treffen zur Verbannung von Atomwaffen, für Frieden und für Frauenrechte teil. Aufgrund ihrer kommunistischen politischen Ansichten fielen Irène und Frédéric vor allem in den USA in Ungnade. Aber auch Reisen zu internationalen Konferenzen wurden für beide  wesentlich schwieriger. Beispielsweise plante Irène 1951 an einer Physikkonferenz in Stockholm teilzunehmen, jedoch wollten die Hotels ihr kein Zimmer geben. Die American Chemical Society wollte Irène nicht einmal eine Mitgliedschaft anbieten.

Irène erkrankte bereits 1927 an Tuberkulose. Dies verschlechterte sich in den späten 1930ern und auch Wochen oder Monate in den Alpen zur Erholung konnten nicht immer helfen. Irène starb 1956 an Leukämie. Dies war wahrscheinlich eine Folge ihrer Arbeiten mit großen Mengen Polonium und der Arbeit im Röntgendienst während des Ersten Weltkriegs. Frédéric starb zwei Jahre später. Für beide wurde ein Staatsbegräbnis angeordnet.

Die IUPAC schlug 1994 die Benennung des Elements 105 (Dubnium) nach dem Nobelpreisträgerpaar vor. Es sollte Joliotium heißen, wurde aber schlussendlich nach dem russischen Kernforschungsinstitut in Dubna benannt.


[1] P. J. Gilmer, „Irène Joliot-Curie, A Nobel Laureate in Artificial Radioactivity,“ in Celebrating the 100th Anniversary of Madame Marie Sklodowska Curie’s Nobel Prize in Chemistry, BRILL, 2011, pp. 41-57.


Amanda Schütz

Ich habe immer schon gerne geschrieben und als im Sommer 2023 die Idee aufkam, eine Zeitung für die Chemiestudis zu veröffentlichen war ich sofort mit Begeisterung dabei. Ich habe instantan die Möglichkeit ergriffen die Geschichte der Frauen in der Chemie an ein breiteres Publikum zu bringen. In meiner monatlich erscheinenden Rubrik „Frauen in der Chemie“ konnte ich während der Recherche selbst sehr viel lernen und bin sehr dankbar, dass der INDIKATOR bzw. die IG Chemie mir das ermöglicht haben. Des Weiteren habe ich hin und wieder auch andere Artikel verfasst, die mir nicht weniger Spaß gemacht haben. So habe ich zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 einige Seiten gefüllt und befinde mich nun, aufgrund des Studienendes, im INDIKATOR-Ruhestand. Ich freue mich dennoch über alle, die auch jetzt noch, meine Texte lesen und dabei hoffentlich das ein oder andere neue erfahren :-)