Der Anfang
Ich kann mich noch sehr genau an meinen ersten Studientag erinnern. Damals habe ich mich extra früh auf den Weg zur Uni gemacht, damit ich, sollten die Öffis doch länger brauchen oder sollte ich den Hörsaal 1 nicht sofort finden, trotzdem rechtzeitig ankomme. Der Carl Auer von Welsbach Hörsaal war dann über die Boltzmanngasse 1 doch einfacher zu finden als erwartet. Der Hörsaal war auch eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn schon voll. Denn mit mir gemeinsam haben damals 800 weitere Studierende begonnen. Wir quetschten uns also alle in den Hörsaal, belagerten auch die Stehplätze und saßen auf den Stiegen, denn Streaming gab es damals noch nicht. Im Laufe der nächsten Wochen lernte ich einen Bruchteil meiner Kommiliton:innen kennen. Als Schülerin hatte ich ohne viel zu Lernen immer gute Noten, die Matura war also kein Problem für mich gewesen. Allerdings führte das zu einigen Schwierigkeiten im Studium. Da ich zuvor nie richtig lernen musste, tat ich mir am Beginn des Studiums sehr schwer. Ich musste also zuerst lernen richtig zu lernen. Ich habe die StEOP nicht im 1. Semester absolviert. Das Proseminar habe ich nicht bestanden. Das Proseminar (heute chemisches Rechnen) war damals noch Voraussetzung für das erste Laborpraktikum. Dieses konnte ich deshalb erst im Sommersemester machen. Und auch für die Allgemeine Chemie Prüfung (heute chemische Grundlagen) habe ich mehrere Antritte gebraucht.
Erstitut
In dieser Zeit hat es mir sehr geholfen wöchentlich ins Erstitut zu gehen. Meinen Komiliton:innen ging es teilweise ähnlich oder sie hatten hilfreiche Tipps für mich. Und meine Tutor:innen erzählten, dass auch sie hin und wieder eine Prüfung versemmelt hatten. Das beruhigte mich und gab mir das Gefühl nicht allein zu sein. Außerdem tat es gut einmal in der Woche zwar mit Chemiestudis etwas zu unternehmen, aber bei Spiel, Spaß und Feiern den Unialltag etwas zu vergessen.
Komiliton:innen
Da es damals noch keine Aufnahmeprüfung gab, waren wir sehr viele. Die 2 Studentinnen mit denen ich im 1. Semester am meisten gemacht habe, haben im 2. Semester aufgehört, da sie erneut für den Medizin Aufnahmetest lernen wollten und ihn schlussendlich auch geschafft hatten. Im Labor im Sommersemester lernte ich dann die Leute kennen, mit denen ich heute, viele Jahre später, noch immer lerne, studiere und feiere. Sie sind zu meinen engsten Freunden geworden. Gemeinsam verbrachten wir am Abend jedes Labortages Zeit im Sägewerk, gingen anstatt in die Vorlesung lieber ins Cafe Milano und waren auch in den Pausen immer in der Uni oder in Uninähe zu finden.
Pandemie
Die weiteren Semester mit weiteren Vorlesungen und Praktika verliefen ruhig, bis im Jahr 2020. Im März saß ich in einer der ersten Einheiten der Vorlesung Biologische Chemie 1 und wir diskutierten mit Prof. Christian Becker wie Covid-19 in unseren Körpern wirkt und wie gefährlich es ist. Zeitgleich fand eine der ersten Pressekonferenzen statt und gegen Ende der Einheit sagte eine Studentin “Ab morgen sind die Unis zu. Haben sie grad in der Pressekonferenz gesagt”. Die Stimmung im Gebäude, als ich mich vom Hörsaal 2 auf den Weg ins Stuzi machte, war sehr eigenartig. Alle Lehrenden haben sich auf den Gängen versammelt und diskutiert was das nun bedeutet. Auch wir Studis waren verunsichert und wussten nicht wie es weitergehen soll. Wir bekamen also alle am Abend ein E-Mail, in der wir informiert wurden, dass die Uni geschlossen ist und weitere Informationen folgen. Dann hörten wir einige Tage nichts. Schlussendlich hieß es, dass die Unis das gesamte Semester nicht mehr öffnen würden und unsere Vorlesungen entweder online stattfinden würden oder wir die Unterlagen mit Kommentaren und ausführlichen Erklärungen bekommen. Prüfungen fanden plötzlich online statt und waren großteils im open-book Format. Während dieser Zeit gelang es mir viele der Prüfungen, die ich noch absolvieren musste positiv abzuschließen. Corona war für mich, oder sagen wir für meinen Studienfortschritt gar nicht so schlecht. Praktika wurden teilweise mit halber Besetzung und ganztägig abgehalten, was dazu führte, dass ich relativ unkompliziert mehrere Praktika in einem Semester machen konnte. Auch das wirkte sich positiv auf meinen Studienfortschritt aus. Als die Unis dann wieder in den Normalbetrieb wechselten fehlten mir nur noch 5 Prüfungen und 1 Praktikum.
Studierendenvertretung
Bei der IG Chemie, unserer Studierendenvertretung, war ich eigentlich seit 2019 schon so halb dabei, da mein guter Freund Sebi damals zum Vorsitz gewählt wurde. Dadurch habe ich eigentlich immer alles mitbekommen. Aktives IG Mitglied war ich dann erst ab Sommer 2021. Dem sind einige Schichten bei Spritzerständen und regelmäßige Besuche bei Plena vorangegangen. In meiner Zeit bei der IG habe ich an einigen Projekten und Veranstaltungen mitgewirkt: Spritzerstände, Stammtische, Spieleabende, Social Media Beiträge, Hygieneartikel auf den meisten WCs, Grillabende, Flohmärkte, Erstitutorium, Artikel für den Indikator, Kooperationen mit WoChem, …
Bachelor
Meine Bachelorarbeit schrieb ich dann im Bereich der Analytischen Chemie. Und ich begann als Tutorin im Analytisch chemischen Praktikum zu arbeiten. Das Begleiten von jüngeren Studierenden im Praktikum hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und ich konnte auch von ihnen sehr viel lernen.
Der Bachelor war für mich zeitweise sehr anstrengend. Manchmal war ich mir nicht sicher, wie ich eine Prüfung schaffen soll. Dann hat mir Sebi aber immer eingetrichtert: “Es wird, weil es muss”. Auch habe ich oft überlegt, ob ich nicht lieber was “einfacheres” studieren sollte. Allerdings bin ich immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass mich nichts anderes so interessiert wie Chemie. Und wenn dann dazwischen wieder Höhepunkte im Labor oder bei Prüfungen vorkamen, war ich mir wieder sicher: Chemie ist das Richtige!
Der Schluss
Nachdem ich den Bachelor nicht in Mindeststudienzeit (und auch nicht innerhalb der Toleranzsemester) abgeschlossen habe, war ich für mein Masterstudium umso motivierter. Daher besuchte ich schon Vorlesungen aus dem Master, während mir noch eine letzte Prüfung im Bachelor fehlte. Im Sommersemester 2023 konnte ich mich dann offiziell ins Masterstudium Chemie einschreiben. Und das Studieren im Master hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Die Lehrveranstaltungen waren alle super interessant und die Lehrenden waren richtig froh über uns Studis. Jetzt schreibe ich gerade an meiner Masterarbeit, die ich auch wieder im Bereich der Analytischen Chemie mache. Trotz der vielen Höhen und Tiefen bin ich rückblickend sehr froh über meine Zeit an der Fakultät für Chemie. Sowohl die guten, als auch die schlechten Tage haben mich sehr geprägt und ich werde gerne an meine Studienzeit zurückdenken.
Ich möchte alle ermutigen, die manchmal das Handtuch werfen wollen, oder die sich schlecht fühlen, weil ihre Komiliton:innen eine Prüfung voraus sind, dass es wird! Nicht nur weil es muss, sondern weil du es kannst!